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Editorial

Novell hat’s wieder getan…

Das Erste, was mir durch den Kopf schoss, als ich die Meldung las, dass Novell sowohl den NLD als auch SLES in Zukunft mit Gnome statt mit KDE ausliefern wird, war:

Oops, they did it again!

Muss ich das erklären? Vielleicht. Bestimmt. OK, also, hier kommt die Erklärung.

Novell hat in seiner bewegten Geschichte schon so manches fremde IT-Produkt aufgesogen. Eins davon war DR DOS, von vielen in den guten alten DOS-Zeiten sehr gern als das bessere DOS bezeichnet und eingesetzt. Was war der Tod von DR DOS? Es wurde von Novell gekauft, mit neuem Branding versehen, mit viel Brimborium als Novell DOS verkauft und dann vergessen.

Als vor knapp zwei Jahren die Meldung veröffentlicht wurde, dass Novell mit IBM-Unterstützung SUSE übernommen hat, hatte ich dunkle Ahnungen bzw. Befürchtungen, das könnte der Abgesang auf die von mir geschätzte Linux-Distribution sein. Ein durch und durch amerikanisches Unternehmen ohne Opensource-Ambitionen, das plötzlich seine Liebe zu freier Software entdeckt? Es schien zu schön, um wahr zu sein. Zudem hatte Novell ein Vierteljahr vorher Ximian übernommen und damit jede Menge Gnome Knowhow.

Und nun SUSE als Teil von Novell? Die KDE-Vorzeigedistribution in den Händen von marketinggestählten Amerikanern, bei denen der Revenue wesentlich höher angesiedelt ist, als so kostspielige Dinge wie freie Software oder die freie Wahl der Benutzeroberfläche? Naja, wird schon gutgehen, die von Novell sind ja nicht blöd und haben den Linux-Markt sicher genau beobachtet. So dachte ich. Völlig vergessen habe ich dabei, dass es für Amerikaner nur einen Markt gibt, den sie beoachten und zwar den amerikanischen!

Einigen Wirbel verursachte ein Artikel von Kurt Pfeifle, „Why Is Novell Chopping Its SUSE Linux Workstation and Desktop Product Line?“. Auch wenn Novell so gut wie alles, was Kurt beschreibt und anmahnt, dementiert und auf eWeek in einem Artikel die angebliche Panik der SUSE Nutzer als unbegründet dargestellt wird, passt vieles, was Kurt in seinem Artikel schreibt, ins Bild.

Am 9.11. kam nun die Nachricht, dass Hubert Mantel, einer der Gründer von S.u.S.E. und verantwortlich für die sprichwörtlich stabilen Linux Kernel von SUSE Linux, Novell den Rücken kehrt und die Firma verlässt. Zusammen mit der Meldung vom 3.11., in der von einem moderaten Mitarbeiterabbau die Rede war, der, wenn man nachhakt, allein in Nürnberg über zehn Prozent der Mitarbeiter betraf, fast alles altgediente SuSEianer, ergibt sich ein neues Bild.

Novell wird es mit SuSE Linux genauso ergehen, wie damals mit DR DOS. Sie versuchen, einem guten Produkt ihren Stempel aufzudrücken und drängen es damit aus dem Markt.

Sollte Novell seine Strategie fortsetzen, weiterhin auf der einen Seite diejenigen, die als „Macher“ hinter SUSE Linux stehen, aus der Firma zu drängen und auf der anderen Seite die Kunden, die SUSE Linux auch und gerade wegen der freien Auswahl des Desktops einsetzen, vor den Kopf zu stossen, wird es über kurz oder lang kein nennenswertes neues SUSE Linux geben. Und Novell Linux nach amerikanischer Manier braucht sich auf meinen Festplatten nicht blicken zu lassen, da kann ich gleich Redhat installieren, das ist dann immerhin noch das bessere amerikanische Linux.

Tja, ich frage mich, ob Novell sich seine Anregungen zum Abtöten von Betriebssystemen bei Big Blue geholt hat, die es ja dank geschickt ungeschicktem Marketing geschafft haben, OS/2 selbst zu killen, oder ob gar eine großangelegte Verschwörung dahinter steckt, die von Redmont aus gesteuert wird.

Anyway, das aktuelle SUSE Linux 10.0 OSS ist ein gutes und stabiles Produkt, welches dank Novells langsamen Abnabelungsversuchen von der Desktopdistribution ja sogar für jeden frei erhältlich ist, die Linux-Quellen sind frei und es gibt ja noch Mandriva, Gentoo, Debian, Ubuntu etc., also wird uns unser Linux nicht vorenthalten. Nur für zukünftige SUSE Linux Ausgaben sehe ich düstere Zeiten, wenn Novell seine Politik nicht überdenkt. Dann wird die Distribution, die mir und vielen Anderen den Weg zu Linux und freier Software geebnet hat, wohl langsam aber sicher untergehen. Schade…

Carpe diem,

Frank

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