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Computer Editorial Software

Linux gestern und heute

Eigentlich sollte der Artikel „Die heilige Kuh und der Flohmarkt“ heißen. OK, der Titel ist etwas hölzern. Da Eric Raymond aber „The Cathedral and the Bazaar“ schon vor gut zehn Jahren benutzt hat und die Methaper so eingängig ist, sehe mir der geneigte Leser diesen (Unter)-Titel nach.

Rückschau

Worum geht es mir? Ich habe gerade mal wieder „Just for Fun“ gelesen, die „Autobiographie“ von Linus Torvalds, erschienen 2001. Damals hatte Linux gerade knapp zehn Jahre Erfolgsgeschichte hinter sich. Die Ereignisse überschlugen sich teilweise, Börsengänge bei RedHat und VA Linux, die Ankündigungen von Informix und Oracle, ihre Datenbaken auch unter Linux zu unterstützen.

Ob nun im Sog von Linux oder unabhängig davon hat sich auch auf dem allgemeinen Open Source Sektor damals viel getan, besser gesagt, es wurde viel sichtbar. Open Source Software wurde salonfähig. Wurde Netscapes Freigabe von großen Teilen des Browsercodes von vielen noch belächelt oder ängstlich beäugt, war Suns Freigabe von StarOffice als OpenOffice schon ein echter Schlag ins Kontor der etablierten Anbieter.

Der Hype um Linux und Open Source ist vorbei

Das ist eine gewagte These, aber ich stehe dazu und gebe gern auch ein paar Erläuterungen dazu. Zuerst mal, Gott sei Dank ist der Hype vorbei. Linux ist angekommen, sowohl im Geschäftsleben als auch beim Privatanwender. Noch vor drei Jahren wurde ein großes Hallo veranstaltet, wenn mal jemand einen lauffähigen Prototypen eines Telefons mit Linux vorgeführt hat. Heute hat Linux, auch und vor allem durch Googles Android Betriebssystem einen höheren Marktanteil als Apples iPhone.
Vor gut zehn Jahren haben wir einen Fachbereichsleiter eines großen deutschen Finanzinstituts noch mit einem Plüschpinguin überredet, einen Webserver mit Linux in Betrieb zu nehmen, statt einer zehnmal teureren IBM-Maschine mit AIX.
Heute müsste sich eben jener Fachbereichsleiter wahrscheinlich vor seinen Buchhaltern erklären, wenn er nicht nach der immer noch günstigeren Linux-Lösung greifen würde. Die könnte allerdings heute auch von IBM kommen, denn auch die Hardwareanbieter haben umgedacht.
Vor zehn Jahren habe ich mir ein Wochenende um die Ohren geschlagen, um Linux auf einem IBM Thinkpad zum Laufen zu bringen. Mangels Hardwareunterstützung, weil Firmen nur Treiber für Windows entwickelten und vielleicht noch für MacOS X, wurde jede Installation auf neuer Hardware zu einer interessanten und wissensbildenden Unternehmung.
Auch heute noch kann es einem passieren, dass der eine oder andere Hardwarehersteller Linux nicht als seinen Zielmarkt definiert. Mittlerweile ist es aber leichter geworden, Wege darum herum zu finden. Und dank des allgegenwärtigen Internets spricht sich sehr schnell herum, was geht und was nicht. Und der Benutzerkreis von Linux ist groß genug geworden, um eine spürbare Marktgröße zu werden.

Linux ist auf dem Desktop angekommen

Vor zwei Jahren habe ich mir das erste Mal einen Rechner eines namhaften Herstellers gekaufet, auf dem Linux schon beim Kauf installiert war. Da mir das installierte Linux nicht gefiel, habe ich ein aktuelles Ubuntu Linux installiert. Out-of-the-box liefen Grafik, WLAN und Webcam. Für das ebenfalls nachträglich von mir installierte, bereits veraltete, Windows XP musste ich erst noch die nötigen Treiber aus dem Internet besorgen. Das damals aktuelle Windows Vista wäre auf dem Netbook mit „nur“ einem Gigabyte RAM nicht zu installieren gewesen. OK, um der Wahrheit die Ehre zu geben, das mittlerweile installierte Windows 7 läuft ebenso gut wie das jetzt aktuelle Linux. Allerdings war dazu Windows-seitig eine komplette Neuinstallation erforderlich. Die Linuxseite wird einfach durch kontinuierliche Upgrades auf die jeweils aktuelle Version auf dem Laufenden gehalten.
Linux ist also auf dem Desktop angekommen. Wenn auch vielleicht etwas anders, als wir uns das vor zehn Jahren ausgemalt haben. Damals war alles sehr polarisiert. Entweder man war für Linux und gegen Windows und Mac oder man war eben auf einer der Gegenseiten. Bei mir tummeln sich heute alle drei Betriebssystemfamilien in unterschiedlichen Aktualitätsstadien. Zumindest bei Windows und MacOS. Dank der immer noch rigiden Lizenzpolitik von Microsoft und Apple treiben beide Firmen immer noch stetig Anwender ins Linux-Lager.

Helfer wider Willen

Den größten Zuwachsschub an Desktop-Anwendern für Linux hat wahrscheinlich Microsoft erzeugt. Da Netbooks nur dann eine Windows XP Lizenz bekamen, wenn die Festplatte kleiner als 160 GB war und der Arbeitsspeicher max. ein GB hatte, entstand eine Familie von Geräten für den Endanwender, die geradezu ideal für Linux war. Allein der Preiskampf unter den Anbietern sorgte dann schon dafür, dass man sich Gedanken machte, ob man nur für die Lizenz des Betriebssystems wirklich nochmal 50 € mehr zahlen wollte, wenn es die gleiche Hardware mit Linux als OS schon für 300 € gab.
Und wer glaubt, Microsoft hätte aus dem Debakel gelernt, wird eines Besseren belehrt. Netbooks gibt es mit einer bis zur Unkenntlichkeit verkrüppelten Windows 7 Variante namens „Starter“, als Ersatz für das endgültig abgekündigte Windows XP. Andere Windows 7 Versionen würden den Endkundenpreis für Netbooks um fast ein Drittel erhöhen. Wenn das kein Argument für Linux ist…
Dabei sind aktuelle Linux-Ausgaben, egal ob von Debian, Fedora, Mandriva, openSUSE oder Ubuntu, um nur die großen fünf zu nennen, heute so einfach zu installieren, das es fast schon langweilig ist. Meine erste erfolgreiche Linuxinstallation liegt jetzt 12 Jahre zurück. Bis zum lauffähigen System, wenn auch noch ohne Soundkarten- und Modemunterstützung und ohne Netscape Webbrowser dauerte es insgesamt 16 Stunden und einen teilweisen Hardwareumbau. Heute installiert sich Linux fast von selbst, wenn man es nicht einfach von einer der zahlreichen Linux-Live-CDs auf einem x-beliebigen Rechner laufen lässt. Ja, auch das geht mittlerweile.
Vorreiter war Knoppix, das, aufbauend auf Debian, der Welt gezeigt hat, das es tatsächlich funktionieren kann, ein komplettes Unix-basiertes Betriebssystem inclusive grafischer Benutzeroberfläche, Webbrowser, Grafikpaket und Officeanwendung nicht nur auf einer CD zusammenzupferchen sondern auch noch so zu konfigurieren, dass es die jeweilige Hardware weitgehend selbst erkennt und die passenden Treiber dazu lädt.
Ja, solche Kunststücke könnten auch Apple und Microsoft aufführen, aber das würde nicht zu deren Geschäftsmodell passen. Stattdessen vergrätze Apple seine Kunden lieber damit, 2005 die Hardwareplattform zu ändern. Bedingt durch die direkte Bündelung von Hardware und Betriebssystem war abzusehen, wann Apple die Unterstützung für die „alte“ Hardwareplattform einstellen würde. 2009 war es dann soweit. Mac OS X 10.6, „Snow Leopard“, kam nur noch für Intelbasierte Plattformen heraus. Bei mir im Wohnzimmer steht ein Mac Mini von 2005, der deshalb kein Betriebssystemupgrade mehr bekommen kann. Der drei Monate ältere Fileserver, mit dem er verbunden ist, läuft dagegen mit einem Linux, dass erst einen Monat alt ist.

Überholte Geschäftsmodelle

Open Source im Allgemeinen und Linux im Speziellen knabbern unaufhörlich an den etablierten Geschäftsmodellen der Big Player. Und das sind nicht nur Microsoft und Apple. Nein, auch Dell, HP, IBM um nur einige zu nennen, beginnen umzudenken oder sind schon mitten drin.
Novell hat sich durch Zukauf verschiedener Linux-Firmen umorientiert. Erst unter Novell wurde SuSE zu openSUSE, einer frei verfügbaren Linuxausgabe. Geld verdient wird bei Novell mit dem davon abgeleiteten Serverderivat inclusive Wartungsverträgen. RedHat hatte es vorgemacht und mit Fedora die Communityversion der eigenen Distribution herausgebracht. Wer professionellen Support benötigt und längerfristige Wartung braucht, also fast alle Firmen, die auf Linux als Serverbetriebssystem setzen, wird sich die Serverversionen von Linux bei Novell, RedHat oder Ubuntu holen. Das mit diesem Geschäftsmodell Geld zu verdienen ist, beweisen allein die drei genannten Firmen.

Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass sogar Microsoft Linux bzw. Linux-Dienstleistungen verkauft. Nur Apple zeigt sich bislang gänzlich unbeeinflusst von der Bewegung in Richtung Open Source. Mal sehen, wie lange Steve Jobs uns sein Gefolge das noch durchhalten.
Microsoft musste Federn lassen. OpenOffice knabbert an einer der heiligen Kühe und nimmt MS Office kontinuierlich Marktanteile ab. Der von Microsoft einst angezettelte Browserkrieg zwang zwar Netscape in die Knie, liess aber mit Firefox gleichzeitig einen sehr erfolgreichen, frei verfügbaren und frei erweiterbaren Webbrowser entstehen, der eben nicht nur auf einem Betriebssystem läuft, sondern gleich auf den drei meistverbreiteten.

Die Erfolgsstory von Open Source geht weiter

Mittlerweile hat sich die Welt daran gewöhnt, dass es mindestens drei Desktop-Betriebssysteme gibt. Ebenso hat sich Linux ganz selbstverständlich als weiteres Server-Betriebssystem etabliert. Und das nicht nur als Webserver für „unwichtige“ Anwendungen sondern auch als Serverbetriebssytem für geschäftskritische Anwendungen.
Und Googles Focus auf Linux als Grundlage für sein Chrome OS und Android wird dafür sorgen, dass irgendwann wirklich jeder irgendwo in seinem täglichen Umfeld von Linux berührt wird, etwas, dass Apple, trotz iPhone und iPad so leicht nicht erreichen wird.
Open Source hat einen Wettkampf gewonnen, der seitens der Open Source Bewegung nie in dem Maß als Wettbewerb gesehen wurde wie von der anderen Seite. Schließlich geht es nicht darum, irgendwen zu verdrängen. Es geht und ging immer darum, Software für jeden frei verfügbar zu machen. Das dass an den Bilanzen von Leuten knabbert, die Software verkaufen, ist ein Nebeneffekt, den Open Source in Kauf nimmt, der aber nicht als Grund für Open Source Software herhalten kann. Dank Open Source Software und der unzähligen Menschen, die daran arbeiten oder die Arbeit anderer uneigennützig oder auch eigennützig unterstützen, hat jeder Mensch heute die Wahl, ob er sein Geld für Softwarelizenzen aus Redmont oder Cupertino ausgibt oder eben nicht.

Ein Hoch auf die dritte Alternative, es lebe Linux, die GPL, alles, was es an Open Source Software gibt und alle, die daran beteiligt sind.

Have fun

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