Vor vierzig Jahren eine Selbstverständlichkeit, heute ein Abenteuer. Eine Fahrt mit dem Käfer ins Büro. In meinem Fall knapp 30 km aus dem Berliner Speckgürtel über die B1 nach Berlin Mitte. Das Büro liegt etwas oberhalb des Punkts, wo sich die Verlängerung der Friedrichstr. mit der Invalidenstr. kreuzt, am ehemaligen Berliner Nordbahnhof. Ehemals Mauerstreifen. Aus den Bürofenstern kann man das Mauer-Mahnmal an der Bernauer Str. sehen.
So, genug Geschichte, kommen wir zur eigentlichen Fahrt. Die Sonne scheint, der Käfer springt dank Frischzellenkur an der Batterie sofort an und schnurrt. Der erste Stop findet an der Tankstelle statt, teilhistorische Kulisse, die moderne Tankstelle ist eine Erweiterung einer wesentlich älteren, an der Fritzchen auch vor vierzig jahren schon Betriebsstoff hätte tanken können.
Dann auf die B1, im Verkehr mitschwimmen. Und gelegentlich sogar überholen, denn es gibt tatsächlich Zeitgenossen, die sind noch langsamer als ein 62er Käfer. Irgendwann ist die linke Spur bequemer zum Mitschwimmen, also fahren wir eben hier weiter. In Berlin-Biedorf ist dann mit dem Mitschwimmen Schluß, mittlerweile hat der Verkehr merklich zugenommen und die erste Baustelle naht. Eigentlich kein Problem, es bleibt bei zwei Fahrspuren, aber einige Mit-Automobilisten gelingt es offenbar nicht, sich zügig für eine der zwei umgelenkten Fahrspuren zu entscheiden. Nach der Baustelle erstmal wieder freie Fahrt, vorbei an den Betonplatten-Wohnburgen von Berlin-Lichtenberg. Nach dem kurzen Tunnel wird’s dreispurig und der Verkehr fließt wieder reibungslos.
An der Grenze zwischen Lichtenberg und Friedrichshain überquere ich die S-Bahn, die mich normalerweise ins Büro befördert. Ein kurzer Blick auf die Uhr, bis jetzt war keiner signifikant schneller als der andere, Käfer gegen S-Bahn 0:0.
Gleich kommt der historisch interessanteste Teil der Strecke, die ehemalige Stalinallee, wo 1953 der Arbeiteraufstand stattfand, jetzt Karl-Marx-Allee. Häuserzeilen im stalinistischen Zuckerbäckerstil, imposant und groß. Mein persönlicher Favorit ist das McDonalds-Restaurant am Frankfurter Tor, Ecke Warschauer Str. Kapitalistisches Fastfood in sozialistischer Kulisse, Zeitenwende at its best.
Am Strausberger Platz verlasse ich die B1 und nehme Kurs auf die Landsberger Allee bzw die Mollstr. Die wird dann zur Torstr. Hier wird’s dann nach der ersten Kreuzung etwas enger, die zwei Fahrspuren rücken zusammen. Rechts wird gebaut, links wird gebaut, dazwischen ist Richtung Mitte nur noch eine Spur. Aber auch diesen Stau meistern das Gefährt und der Fahrer problemlos.Am nördlichen Ende der Friedrichstr. biege ich dann in deren Verlängerung ein. Noch kurz die Invalidenstr. gekreutz, die nächste rechts, dann wieder links und ich rolle vor dem Büro die Straße entlang auf der Suche nach einem Parkplatz. Am oberen Ende werde ich dann auf einem wilden Parkplatz fündig.
Wieder ein Blick auf die Uhr, das Ganze hat ca. eine Stunde gedauert, schneller wäre ich mit der S-Bahn auch nicht gewesen, allerdings auch nicht langsamer. OK, ich hatte die ganze Fahrt über einen Sitzplatz, aber auch gut zu tun. Und es wartet noch der Rückweg.
Und der war dann nicht so beschaulich. Stop and Go von der Friedrichstr. bis nach Lichtenberg. Irgendwann gab ich es auf, überhaupt noch in den ersten Gang zu schalten und blieb stattdessen durchgängig im zweiten. Zügiges Fahren erst an der Berliner Stadtgrenze in Mahlsdorf. Insgesamt hat die Rückfahrt 90 min. gedauert, 30 mehr als der Hinweg.
Fazit, diese Fahrt ins Büro war als Machbarkeitsstudie OK, aber ich werde es höchstens zu besonderen Anlässen wiederholen. Aus meiner Sicht nichts für den täglichen Weg ins Büro. Nicht in erster Linie wegen des Käfers, ich würde es auch mit einem modernen Auto nicht zu schätzen lernen, mich täglich im Berliner Stadtverkehr zu tummeln. Wenn die S-Bahn jetzt noch ein bisschen attraktiver würde und einen schnelleren Verbindungstakt anböte, würden wohl mehr Leute den Wagen zuhause lassen.
Ach ja, eine Malaise gilt es noch zu vermelden, der wilde Parkplatz hat seinen Tribut gefordert. Beim Ausparken geriet ich in eine kleine Senke und rollte rückwärts gegen einen Randstein. Der schob das linke Endrohr tief in den Auspuff. Lässt sich wieder herausziehen, ist mir aber eine Lehre. Nächstes Mal besorge ich mir vorher einen Platz in der Tiefgarage.