Jeder, der schon mal mit dem Zug an Wolfsburg vorbei gefahren ist, kennt die Autostadt zumindest von aussen. Markant sind vor allem die beiden Autotürme, in denen die Fahrzeuge zwischengelagert werden, die am jeweiligen Tag von ihren neuen Eignern abgeholt werden.
Schon seitdem ich vor dreissig Jahren einen Bericht lass, wie jemand seinen neuen Käfer anno 1948 in Wolfsburg abholte, wollte ich das irgendwann mit einem neuen Auto auch so machen.
2009 war es soweit, meine Frau und ich fuhren mit dem ICE nach Wolfsburg, um dort unseren niegelnagelneuen VW Tiguan abzuholen. Es hatte etwas gedauert, bis wir uns auf Bauart, Typ, Marke und Farbe geeinigt hatten, aber schlussendlich einigten wir uns auf einen weissen Tiguan mit Panoramadach, schwarzem Leder innen und meinem Lieblingsgimmick, einer versenkbaren Anhängerkupplung.
Den holten wir 2009 in Wolfsburg ab. Wir drehten vorher eine Runde im Werks-Tiguan über den Geländeparcour, sahen uns den ausklappbaren Lamborghini an, vershopten den Gutschein im VW-Shop, aßen die Werkscurrywurst mit Originalsauce und bekamen das neue Auto von einem freundlichen Mitarbeiter erklärt. Dann noch ein Familienphoto mit Auto und heim ging’s mit der neuen Kalesche.
Nach vier Jahren war es 2013 Zeit für einen neuen fahrbaren Untersatz. Da uns unser Tiguan nie enttäuscht hat, war es eine einfache Wahl. Wir würden wieder einen weissen Tiguan nehmen, ungefähr die gleiche Ausstattung plus ein paar Extras, die es letztes Mal nicht in die Ausstattungsliste geschafft hatten. Dazu gehörte für mich vor allem ein Tempomat, für meine Frau Parksensoren auch vorn am Auto. Irgendwie mit dazu bekamen wir noch Xenonlicht und eine Rückfahrkamera samt Parkassistent.
Und natürlich war klar, wir würden den Wagen wieder in Wolfsburg abholen. Das ist ein Ereignis auf das man nicht verzichtet. Eigentlich war auch alles klar, wir wussten, unser Wagen wird in KW 36 gebaut und wir würden ihn in KW 38 abholen. Dann ging irgendetwas schief. Das Autohaus scheiterte dabei, den Abholtermin in der Autostadt bestätigt zu bekommen. Lapidare Aussage:“ Die Rückmeldefrist wurde um einen Tag überschritten, nichts mehr zu machen!“
Nun glaube ich ja an vieles, aber das da nichts mehr zu machen sei, das glaubte ich nicht. Nur weil in irgendeinem Computersystem irgendein Datum sechs Wochen in der Zukunft noch nicht gesetzt wird, das konnte doch nicht bedeuten, dass ich mein zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal vom Band gelaufenes Auto nicht da abholen kann, wo ich will.
Kurzform: Doch, genau so kam es!
Nun zur Langfassung. Ich rief einen befreundeten Journalisten an, der gelegentlich auch in Wolfsburg zu tun hat und klagte ihm mein Leid und erwähnte, dass ich mich mit dem Gedanken trüge, direkt an Herrn Winterkorn zu schreiben. Er meinte, ich sollte lieber an Herrn Wa… schreiben, der sei der Herr der Autostadt.
Gesagt, getan, ich schrieb an Herrn Wa… Es passierte…
nichts!
Ich schrieb erneut an Herrn Wa… und setzte diesmal auch die Service-Mailadresse der Autostadt mit als Adressat ein. Diesmal gab es eine Reaktion. Ein freundlicher Herr von der Autostadt wollte gern mit mir telefonieren und bat per Mail um meine Nummer. Da er seine angegeben hatte, rief ich zurück. Leider war er nicht da, dafür konnte ich seiner freundlichen Kollegin meinen Fall schildern. Sie versprach, etwas zu versuchen, wies aber darauf hin, dass nicht die Autostadt die Abholtermine macht, sondern die Volkswagen Verkaufssteuerung.
Nach kurzer Zeit rief sie mich zurück mit der traurigen Nachricht, dass sie leider auch nichts ausrichten konnte. Aber sie gab mir den Tipp, direkt bei Volkswagen anzurufen und mich zur Verkaufssteuerung durchstellen zu lassen.
Gesagt, getan. Ich wurde tatsächlich problemlos zur Verkaufssteuerung für Brandenburg durchgestellt, wo ich wieder an eine sehr freundliche Gesprächspartnerin geriet. Als ich der erneut mein Problem schilderte, sah sie als erste Telefonpartnerin überhaupt kein Problem darin, mir zu helfen. Sie änderte den Auslieferungsort meines Tiguans auf „Auslieferung in der Autostadt“ und damit sollte eigentlich alles seinen Lauf nehmen.
Dann kam der Hagelschlag in Niedersachsen, der allein bei VW ca. 17.000 Autos beschädigte, die auf den Werksparkplätzen auf neue Besitzer warteten. Die komplette Auslieferung bei VW war betroffen und obwohl mein Tiguan noch nicht gebaut war, traf es auch uns.
Mehrmalige Nachfragen beim Autohändler meines Vertrauens erbrachten einfach kein belastbares Datum für die Abholung in der Autostadt. Als ich zwei Wochen vor Ablauf unseres Leasingvertrags erneut anrief, wurde es am anderen Ende der Leitung sehr still: „Herr Rennemann, ich weiss gar nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber ihr Auto ist heute an uns geliefert worden und steht jetzt hier in Rüdersdorf auf unserem Hof.“
Irgendwann muss man einsehen, das man geschlagen ist. Volkswagen wollte scheinbar einfach nicht, dass wir diesen Wagen in Wolfsburg abholen. Das freundliche Angebot meines Händlers, eines seiner Vorführfahrzeuge in Wolfsburg abzuholen, mit Übernachtung im Ritz-Carlton, lehnte ich dankend ab. Es wäre nicht das Gleiche gewesen.
So schlich sich also unser neuer Tiguan still und leise bei uns ein.
Und läuft und läuft und läuft…