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Editorial

Wird Linux langweilig?

Ich höre förmlich das Kopfschütteln, Stirnrunzeln und Naserümpfen, das mit dem langsamen Einwirkenlassen der Überschrift bei meinen Lesern einsetzt. Aber, lieber Leser, bevor ich Deinerseits der ewigen Verdammnis anheim falle und mit einem vehementen *Plonk* auf dem Boden Deines Killfiles aufschlage, lass mich ein paar Worte zu meiner Verteidigung verlieren.

Meine erste Linuxinstallation fand (erst) anno 1995 statt. Die Slackware-Distribution, die der Erstausgabe von Michael Koflers Linux-Buch beilag, liess sich zwar leidlich installieren, beim Konfigurieren des X-Servers scheiterte ich damals allerdings. Grund dafür war mein geradezu erbarmungswürdig unterentwickeltes Technikwissen. Ich hatte doch tatsächlich die Horizontal- und Vertikalfrequenzen meines Monitors nicht parat. Und das billige Ding hatte keine Dokumentation, geschweige denn einen Hersteller, der über eine passende Website mit den nötigen Infos verfügt hätte. Also spielte ich erst einmal nur mit der Kommandozeile herum, was für ein Abenteuer.

Zwei Jahre später kaufte ich mir meine erste „echte“ Linux-Distribution (Installations-CDs mit Handbuch statt Handbuch mit Buch-CD), S.u.S.E. Linux 5.1, damals in einschlägiger Fachliteratur gerade wegen des Software-Umfangs und des exzellenten Handbuch ziemlich gefeiert. Nach zweimal acht Stunden Installationsversuchen, diversen Flüchen über YaST und die S.u.S.E. Entwickler und geringfügigen Hardwareumbauten (hdc -> hdb) sah ich erstmals einen laufenden X-Server auf meinem eigenen System. Und mit fvwm2 hatte ich eine völlig andere, völlig neue Benutzeroberfläche zu entdecken, in der so gut wie nichts so ging, wie von GEM, OS/2 oder Windows95 gewöhnt. Und wieder war alles ein grosses Abenteuer, das mit der Installation begann und danach noch monatelang mit dem Entdecken und langsamen Herantastens an das System anhielt.

Windows95 hatte ich ein Jahr zuvor in gut einer Dreiviertelstunde über das alte Windows 3.1 installiert, total unspektakulär und überhaupt keine echte Leistung, Installation für Warmduscher und Schattenparker! Mit den Geschichten über meine 16 Stunden Linuxinstallation, da konnte ich Ruhm einfahren, aber doch nicht mit Windows95 😉

OK, da das Kernelneukompilieren nicht funktioniert hatte, konnte ich das Modem noch nicht unter Linux benutzen, das ZIP-Drive wollte auch nicht so recht, Drucken ging dank GDI-Drucker überhaupt nicht und die Soundkarte funktionierte auch nicht. Aber Leute, das TeX-Paket war spitze und der Atari ST Emulator hat mich in wahre Begeisterungsstürme verfallen lassen. Sogar das Installieren eines Netscape Browsers gestaltete sich als echte Herausforderung. Seitdem ist tar xfzv sowas wie ein kleines Mantra für mich.

Dann das erste Linux-Update, der Sprung von S.u.S.E. Linux 5.1 auf 5.2. Natürlich funktionierte erst einmal überhaupt nichts so, wie ich es erwartet hatte. Damals legte ich den Grundstein für eine seitdem liebgewordene Marotte, ich legte /home auf eine eigene Partition und installierte das Grundsystem lieber gleich neu, statt mich mit den Unzulänglichkeiten eines Updates herumzuschlagen. Aber immerhin, diesmal gelang das Kernelkompilieren. Damit war der Weg frei für Modem und ZIP-Drive und Soundkarte. OK, Drucken ging immer noch nicht, aber da war ich ja auch selbst schuld, wer kauft sich schon einen Windows only Drucker. Diese Installation war schon nicht mehr ganz so aufregend und dauerte nur noch ca. drei Stunden.

Ein oder zwei Jahre später machte ich ein Update eines Windows NT4 Rechners auf Windows 2000 Professional. Wieder total unspektakulär, CD rein, booten, zwei Stunden warten und fertig war das neue System. Schon wieder total langweilig. Spannend wurde es bei Windows immer erst dann, wenn man ein neues Office-Paket installiert hatte und sich ansah, wie alte Dokumente layoutmäßig völlig neu interpretiert wurden. Und die Jungs aus Redmond machten es jedesmal wieder etwas spannender, wo und wie sich denn diesmal wohl die Netzwerkeinstellungen finden und ändern lassen würden.

Mit dem ersten echten Einsatz von YaST2 als Installationsroutine für SuSE Linux rückte dann der Break Even Point langsam ins Blickfeld. Eine Windows-Installation inclusive Office und Photoshop dauerte in etwa solange wie eine Linux-Installation. Das lag vor allem daran, dass es immer spannender wurde, was man sich für Windows so alles an Treibern aus dem Internet besorgen musste, um Hardware, die mittlerweile unter Linux out-of-the-box erkannt wurde, auch auf dem Redmonder Betriebssystem zum laufen zu bringen. Und dank KDE und Gnome fanden sich auch langjährige Windows-Adepten mit Linux schnell zurecht.

Seitdem OpenOffice, Gimp und Mozilla in stabilen und performanten Versionen auf allen besseren Distributionen zu finden sind und es Tools wie YaST2, SaX2, Linuxconf und Konsorten gibt, hat sich das Bild ins Gegenteil verkehrt. Treiber (Module) für gängige Hardware bringen alle Linux-Distributionen mit. Auch der Betrieb von GDI-Druckern oder USB-Scannern ist kein Thema mehr. Heutigentags ein SUSE Linux (aktuell 9.1) auf einem zeitgemässen Rechner zu installieren, dauert gut eine halbe Stunde, inclusive Internetanbindung und erstem YOU-Update. Bei Mandrake und Red Hat sieht es ähnlich aus. Selbst Debian hat den Nimbus der Schwerstinstallierbarkeit verloren. Wer heute ein echtes „Männer“-Linux installieren will, nimmt Gentoo und kompiliert sich das komplette System selbst oder er greift zu Linux from Scratch, das einen noch basisnäheren Ansatz verfolgt. Wer’s noch härter mag, installiert Windows XP.

Spätestens seit Knoppix gezeigt hat, wie man völlig ohne Installation ein Linux auf jeden PC bringt, ist es mit dem Mythos Linux als absolutes Spezi-Experten-Profi-System vorbei! Und spätestens seit Slammer, Sasser und Netsky ist jedem klar, wie spannend der Betrieb von Windows ohne hinreichenden Virnbeschutz sein kann.

Als ich gerade einen halben Samstag damit vernichtet habe, ein altes Windows98 System auf Windows XP zu bringen, wusste ich, dass ist was für echte Kerle. Automatische Installation auf eine komplette Festplatte? Unmöglich, Windows verweigert das Löschen der letzten verbliebenen Partition mit dem Hinweis auf temporäre Daten. Von RAM-Disks hat man in Redmond anscheinend noch nicht gehört. Frisch installiert hat man ein System, das noch keine Verbindung zur Aussenwelt hat, kein Officepaket ist installiert, kein Virenscanner ist präsent.

Meine Lehre aus diesem vergeudeten Nachmittag ist, dass mich das Installieren dieses Systems mit Linux ca. eine Stunde gekostet hätte. Die Konsequenz daraus ist, das ich hiermit meinem mitlesenden Freundeskreis mitteile, dass Windows von mir in Zukunft nicht mehr supported wird! Windowsprobleme löse ich nur noch durch Neuistallation von Linux. Nennt mich einen Warmduscher, nennt mich einen Schattenparker, ich stehe dazu. Ich bin bequem und installiere gern Betriebssysteme, die auf Anhieb das machen, was sie sollen. Also installiere ich das einfachere System und das ist mittlerweile Linux.

Carpe diem,

Frank

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