Kategorien
Unmut

S-Bahn Berlin und Eisenbahnbundesamt, eine unheilige Allianz?

Tja, was sagt man nun dazu? Durch eine Verschärfung der Überprüfungen an den Radsätzen der Berliner S-Bahnzüge der Baureihe 481 und 482, die mittlerweile den größten Teil der Zugflotte der Berliner S-Bahn ausmacht, kommt es ab Montag in Berlin zu „Einschränkungen im S-Bahn-Verkehr„.

Und laut EBA ist natürlich nur die S-Bahn-Berlin schuld, wenn die es nicht schafft, für ca. 80% des rollenden Materials eben mal schnell Ersatz zu schaffen.

Nun ist es ja tatsächlich so, dass man hier in Berlin etwas lang geschlafen hat. Dafür wurden dann, als man aufgewacht ist, eben mal alle vier Geschäftsführerposten der S-Bahn Berlin von Altlasten befreit und man machte sich flugs an die Inspektion der Radreifen der betroffenen Baureihe. Das bedeutete auch bislang schon für die Fahrgäste, im Bahnjargon manchmal auch Beförderungsfälle genannt, dass sie enger zusammenrücken mussten und auf die eine oder andere Bahn verzichten durften. Statt als Vollzug mit acht Wagen verkehrt z.B. bei uns nur noch ein sechs-Wagen-Zug, Zwischenbahnen, die zu Spitzenzeiten einen Teil der Strecke zusätzlich befuhren, fallen ganz aus. Damit hat sich die Transportkapazität zumindest auf der S5-Strecke in Spitzenzeiten teilweise mehr als halbiert.

Dank der neuerlichen Intervention des EBA wird’s nun richtig dramatisch. Die S-Bahnen werden innerhalb des S-Bahn-Rings auf der Ost-West-Strecke zwischen Ostbahnhof und Bahnhof Zoo überhaupt nicht mehr verkehren. Stattdessen werden zusätzliche Regionalzüge eingesetzt, sieben pro Stunde und Richtung. D.h., dort, wo früher alle zwei bis drei Minuten ein S-Bahn-Vollzug fuhr, fährt jetzt alle neun Minuten eine Regionalbahn.

Warum das alles? Weil im Mai an einem Wagen der Baureihe 481 ein Radbruch auftrat und das EBA den unbeirrbaren Standpunkt vertritt, die reine Sichtprüfung, die in den letzten drei Wochen unter Hochdruck durchgeführt wurde, reicht nicht aus. Stattdessen werden jetzt Wirbelstrommessungen an allen betroffenen Radsätzen fällig. Fahrzeuge, die noch nicht überprüft worden sind, haben derzeit keine Betriebserlaubnis, können also auch nicht für Personenbeförderung eingesetzt werden.

Und das Beste ist, das EBA weist jegliche Schuld an dieser Misere weit von sich:

„Das Eisenbahn-Bundesamt weist darauf hin, dass die S-Bahn Berlin GmbH gesetzlich verpflichtet ist, die Sicherheit des Betriebs jederzeit zu gewährleisten. Es liegt jetzt in der Hand der S-Bahn Berlin GmbH schnellstmöglich für die Sicherheit zu sorgen.“

Da frage ich mich doch, was rauchen die Herrn Beamten da eigentlich? Wie weltfremd kann man sein, um aufgrund eines einzelnen Radbruchs eins der Hauptverkehrsmittel Berlins derart lahm zu legen. Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit? Natürlich will keiner von uns in einer S-Bahn sitzen, die wegen eines radbruchs aus den Schienen springt. Und niemand will, dass es beim nächsten Mal weniger glimpflich abgeht als beim Radbruch vom 1.Mai.

Und natürlich hat die S-Bahn Berlin GmbH zu spät auf die Anordnungen des EBA reagiert. Trotzdem bleibt die Frage, ob es verhältnismäßig ist, quasi die komplette Baureihe wegen eines einzelnen Radbruchs stillzulegen? Und ob sich die Herren Beamten tatsächlich auf die Position zurückziehen können, die alleinige Schuld träfe die S-Bahn und man selbst wäscht, wie weiland Pontius Pilatus seine Hände in Unschuld. Rein rechlich befindet sich das EBA in einer unangreifbaren Position. Moralisch hat das Eisenbahn-Bundesamt gerade verloren. Denn obwohl es vorgibt, im Sinne der beförderten Menschen zu handeln, hat es gerade hier aktuell kläglich versagt.

Ich lade die zuständigen Beamten gern ein, den Sommer über bei uns zu wohnen und jeden Tag mit mindestens zweimal Umsteigen in jede Richtung ihr Berufsleben in „vollen Zügen“ zu geniessen.

Der Unmutsaward geht diesmal eindeutig an das Eisenbahn-Bundesamt. Danke, Leute, ihr habt Berlin einen unvergesslichen Sommer beschert.

Kategorien
Unmut unterwegs

Umstiegsorgien dank S-Bahn Berlin

Tja, das konnte ja nicht gut gehen. Da reist man 350 km mit dem ICE von Hannover nach Berlin, komplett fahrplanmäßig. Sowas rächt sich irgendwann.

Ausführendes Organ war diesmal, wieder einmal, die S-Bahn Berlin. Abgesehen von dem Frust, nach einem lockeren 16 Stunden Arbeitstag für die 30 km von Berlin Mitte bis zur Haustür genauso lange zu brauchen, wie für die 350 km vorher (1:30 h), habe ich durchaus ein paar Anregungen für die Verantwortlichen bei der S-Bahn.

Zuerst zu den Fakten. Der ICE rollt leidlich pünktlich am Ostbahnhof ein, bis zur passenden S-Bahn, der S5 nach Strausberg sind noch 15 min Zeit zum Umsteigen. Auf dem Bahnsteig deutet nichts auf Baustellenverkehr hin, auch Durchsagen, die den interessierten Beförderungsfall auf Baustellenverkehr hinweisen würden: Fehlanzeige. Erst unmittelbar, bevor die S5 im Ostbahnhof einfährt, erfährt der betroffene Beförderungsfall, dass die Reise mit dieser S-Bahn in Lichtenberg endet, wo man dann die nächste U-Bahn nach Wuhletal nehmen möge, von wo man dann mit der S-Bahn weiterreisen kann.

Nicht-Eingeweithe seien hier darauf hingewiesen, dass die U-Bahn erstens nicht unmittelbar nach dem Eintreffen der S-Bahn in Lichtenberg losfährt und zweitens etwas länger braucht, als eine fahrplanmässige S-Bahn. Somit besteht eine 100 % Chance, die Anschlußbahn in Wuhletal zu verpassen, was dem Beförderungsfall natürlich auch, zusammen mit diversen Mitleidenden, widerfahren ist.

Der Klopfer folgt dann in Wuhletal, die S-Bahn fährt nicht vom stadtauswärts weisenden Bahnsteig ab, an dem die U-Bahn ankommt, sondern vom Gegengleis, also nochmal treppab, treppauf und warten. Die planmässige Bahn ist weg, der Takt beträgt satte 20 min., also heißt es warten.

An dieser Stelle noch einen herzlichen Gruß an die Dame von der Bahnsteigbesatzung, die unablässig versucht hat, über eine kaputte, vor Rückkopplung pfeifende Lautsprecheranlage unverständliche Ansagen zu machen. Nein, wenn etwas kaputt ist, hilft es meist nicht, hartnäckig die defekte Anlage weiter zu malträtieren.

Lernfelder für die S-Bahn:

  • frühzeitige Ansagen von Schienenersatzverkehr zumindest an Bahnhöfen mit Fern- oder Regionalanschluß
  • vernünftige Planung derartiger Ersatzverkehrsmaßnahmen (Freitagabend ist definitiv zu viel Verkehr dafür)
  • Sinnvolle Planung der Umstiegswege. Bei hohem Fahrgastaufkommen stadtauswärts macht es keinen Sinn, den Großteil der Fahrgäste auch noch unnötig den Bahnsteig wechseln zu lassen.

Sollte einer der Verantwortlichen hier mitlesen, ich bin gern zu einem Treffen zur Diskussion konstruktiver Maßnahmen bereit.

Diesmal jedenfalls hat sich die S-Bahn Berlin den Unmuts-Award wieder redlich verdient.

Kategorien
Allgemein unterwegs

Zwischenstopp wegen Personenschaden

Dienstagmorgen, ICE von Berlin nach Basel, kurz vor 10:00 und kurz vor Braunschweig. Eine plötzliche Vollbremsung des ICE reisst mich aus dem Dösen und die Maus meines Laptops versucht, von Tisch zu springen.

Kurz danach eine Durchsage des Triebfahrzeugführers: „Zugpersonal, bitte beim Lokführer melden!“

Oh Scheiße, denke ich, nach vierzehn Jahren unfallfreiem ICE-Fahren ist es jetzt also auch einem ICE passiert, in dem ich sitze. Personenschaden. Und richtig, kurz danach kommt die entsprechende Durchsage. Nach gefühlt relativ kurzer Zeit sieht man draussen Polizei auf dem Gegengleis entlanggehen, dann einen älteren Herren mit einer Jacke, auf der hinten groß „Seelsorge“ prangt. Irgendwann dann zwei Rettungssanitäter, die im Zug nach Opfern der Vollbremsung suchen.

Eineinhalb Stunden später fahren wir in Braunschweig ein, nochmal eine halbe Stunde später wieder raus. In Göttingen ist dann Schluß für diesen ICE, er wird aus dem Verkehr gezogen. Beim Aussteigen erfahre ich von einer Zugbegleiterin, was passiert ist. Ein 89-jähriger Mann hatte am Bahnübergang seinen Rollstuhl säuberlich geparkt und sich auf’s Gleis gelegt, um nicht 90 zu werden.

Was muss in einem Menschen vorgehen, um sich diese Todesart auszusuchen?